Halt finden in einer Ära der „schlechten Hirten“

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Als „Schlafschafe“ werden Menschen bezeichnet, die gegenüber politischen Fehlentwicklungen nicht wachsam sind. Auch sonst stehen die blökenden Weidetiere in keinem hohen Ansehen. Eine kollektivistische Herdenmentalität wird ihnen ebenso unterstellt wie Bravheit und geringe geistige Brillanz. Dennoch bleibt das biblische Gleichnis vom „Guten Hirten“ eine Verheißung. Selbstlosigkeit sowie eine fast grenzenlose Großzügigkeit sind die Merkmale des idealen Schäfers. Leider haben wir es derzeit mit sehr vielen schlechten Hirten zu tun. Sie nehmen das Leben ihrer „Schafe“ und liefern es gnadenlos den Interessen der neoliberalen Profitmaschine aus. Der Autor bietet dagegen eine anziehende Deutung der Schafs- und Hirten-Metaphorik an. Vertrauen, Schutz, Zusammenhalt sind Werte, die unseren „aufgescheuchten Seelen“ (Wie es Dietrich Bonhoeffer ausdrückte) in schwerer Zeit etwas Frieden bringen könnten. Rüdiger Schaller

Uns geht es so gut wie nie! So sagen es unsere Regierenden. Und sie sagen, sie stehen zu ihrer Verantwortung, zur Führung zum Wohl der Menschen, die sich ihnen anvertrauen. Wozu benötigen Menschen da überhaupt eine Suche nach Halt und Orientierung? Kein einfaches Thema, deshalb etwas mehr Raum als sonst für die Ausführungen. Vorweg: Es lohnt sich!

In der Erfolgsstory „Game of Thrones“ wird ein sehr akutes Lebensgefühl der steten Unsicherheit ausformuliert: Die Welt wird beherrscht von kaum durchschaubaren Interessen. Das ist keine unbekannte Erfahrung im globalisieren Kapitalismus. Hier kommt kaum einer heil raus – es ist das Ende aller Gewissheiten, der Verhandelbarkeit und damit die Entwertung aller Werte, der Fragilität von Bindungen und Beziehungen. Kurze Siege des momentan Fittesten. Sieg oder stirb.

In diesem Umfeld eine wichtige Suche: Wer wird uns sicher durch die Stürme unseres Lebens führen? Verlässlich! Unsere Politiker? Ein kurzer Blick auf die von vielen Menschen empfundene Lebenswirklichkeit, ein paar Impressionen: Die Kaste der Unberührbaren. Steuergelder in Höhe von Hunderten von Millionen verschwendet – ohne Konsequenzen. Fröhlich neue Projekte in den Sand setzen. Ganze Beraterstäbe verdienen sich die sprichwörtliche „goldene Nase“ – mit ihrer herausragenden Expertise. Nur ein Stichwort – von unsäglich vielen: CumEx – das Prinzip ist einfach. Verlange Steuer zurück, die du nie gezahlt hattest. Du glaubst es nicht, dass das geht? Doch es geht! Eine der renommiertesten Anwaltskanzleien, vom Finanzminister gelobt, hatte das mit ausgeheckt. Plünderung des ehrlichen Steuerzahlers, mit dem Segen des zuständigen Ministers. Doch der hat bestimmt nichts gewusst und verantwortlich ist er auch nicht. Das ist nie einer dieser Politiker. Meister der Verantwortungslosigkeit in kritischen Situationen. Schlimmstenfalls werden sie befördert nach Brüssel; mit weiterhin üppigem Salär. Sanierung des Dienstwohnsitzes inklusive. Die Kosten dafür übersteigen bei weitem das Jahresgehalt von Pflegekräften, die beklatscht werden in der aktuellen Coronakrise. Grundlegendes ändern? Nicht wirklich. Lieber billige Pflegekräfte aus dem Ausland holen. Zu Lasten der ärmeren Länder. Das ganze System scheint darauf ausgelegt zu sein, immer mehr Geld und Wohlstand zu horten; zu Lasten der Allgemeinheit. Getrieben von dem unersättlich gierigen System der Neoliberalen.

Der Geist der Neoliberalen weht, wie bei so vielem, auch durch den Armutsbericht. Armut wird verharmlost, Reichtum wird verschleiert. Ungleichheit soll nicht verschärft werden, so das Ziel, nach dem Wechsel der Verantwortung auf die erste Bundeskanzlerin. Eine Person ist schon „einkommensreich“, wenn sie ein Nettogehalt von 3.900,- € bezieht. In dieselbe Kategorie fällt aber zum Beispiel auch ein Mensch, der über ein Privatvermögen in zweistelliger Milliardenhöhe verfügt. So lässt man Reichtum verschwinden. Kunstwörter werden gebildet, wie etwas „Wohlhabenheit“. Damit lässt sich so schön vieles verschleiern. Vor allem wird vertuscht, dass Armut strukturell mit Reichtum verbunden ist. Ein Schelm, wer Böses denkt.

Doch das alles geht unter in der Aufmerksamkeitsmaschinerie, fast täglich werden neue Themen durch die Hofberichterstatter der Politik, den sogenannten Mainstreammedien, getrieben. Die „Maskenmänner“ mit ihren Deals können weiter Mandat und die Mehrung des eigenen Wohlstandes verbinden. Minister können sich Millionen schwere Immobilien leisten. Klar, wer selbst im Aufsichtsrat der diesen Deal finanzierenden Banken ist und dessen Ehepartner Lobbyist der Pharmabranche ist – der ist eine sichere Bank. Die Bonität ist gewährleistet und auf Lebzeit sichergestellt. Fehler, Fehlverhalten? Das gibt es in diesen Kreisen, die um das goldene Kalb tanzen, nicht. Kritik wird weggelächelt und es wird weitergemacht wie bisher. Nur etwas trickreicher als zuvor. Diese Menschen leisten sich auch Schönfärberagenturen.

Ein kurzer Stopp: Die Kaste der Unberührbaren, die ist doch berührbar! Von Lobbyisten. Nur ein Blick auf die Menschen, die für die Landwirtschaft und die Ernährung zuständig sind; ein trauriges Bild. Von den Maskenmännern und anderen Profiteuren ganz zu schweigen. An dieser Stelle ein Disclaimer: Es gibt sie noch: Menschen und auch Parteien, die sich für das Allgemeinwohl mit Herzblut einsetzen. Aber: Die Macht der Neocons ist groß! Die dunkle Seite der Macht gewinnt an Kraft, Stärke und Einfluss. Es herrscht die Wolfszeit.

Gut für die Unberührbaren, dass da der Hahnenkampf um die Kanzlerkandidatur kam. Übervoll die Medien und deren Auguren mit ihren Deutungen, den Meinungsumfragen, den Politbarometern. Ansonsten gefüllt mit Belanglosem, wie dem Morgenmagazin oder Trashshows. Wer berichtet noch von Lesbos, als Synonym für Gewalt gegen so hilfs- und schutzbedürftige Menschen? Mauern um Europa werden zur Abschreckung gebaut. Ertrinkende Menschen, Kinder, Frauen und Männer zahlen einen hohen Preis. Mit dem eigenen Leben. Das wird ungerührt in Kauf genommen. Unser Wohlstand, der auf der Ausbeutung von so vielen Menschen, von Ländern und ganzer Kontinente beruht, der darf nicht gefährdet werden. Doch diese Menschen fliehen vor so unterschiedlichen Konflikten, die wir, ja wir, verursacht haben. Nur ein kurzer Blick auf die Kinderarbeit in armen Ländern: Unsere E-Mobilität basiert auf der Sklavenarbeit von Kindern in Kobaldminen. Was davon taucht in der Mainstreampresse auf? Gibt es Aktivitäten, dies grundlegend zu ändern? Oder folgen wir in der Masse weiterhin brav wie ein Schaf dem Mainstream? Es geht uns ja so gut!

Ja, der Mainstreampresse folgt die Masse der Menschen, staunend, hin und wieder vehement diskutierend und doch treu ergeben. Wie Schafe ihrem Führer folgen. Der Tatort und der tägliche Tod lassen grüßen. Wie Schafe, so laufen die Menschen den Kursen hinterher. So spotteten Agierende in den diversen Finanzskandalen. Der Zoologe und Schriftsteller Brehm sagte über die Schafe folgendes: “Dummheit begründet ihr geistiges Wesen, und gerade deshalb ist das Lamm nicht eben ein glücklich gewähltes Sinnbild für tugendreiche Menschen.“ Hochprofessionelle Anleger und moderne, aufgeklärte Menschen als Schafe? Niemals! Oder – vielleicht doch?

Vor dem nächsten Schritt noch ein Disclaimer: Es gibt sie noch! Die Menschen, die sich für Menschlichkeit und das Gemeinwohl einsetzen, für sie kämpfen. Haben sie eine echte Chance gegen die Neocons? Mit Blick auf die Zeitzeichen, da habe ich zunehmend Sorge.

Doch nun der nächste Schritt: Deutschland und seine Führer, seine Hirten. Otto von Bismarck, der erste Reichskanzler des vereinigten Deutschen Reiches, hatte die Welt einmal vor dem deutschen Volk gewarnt: Mit einem guten Führer, so sagte er, seien die Deutschen die größte Nation der Erde. Mit einem schlechten Führer seien sie Ungeheuer. Eddie Jaku, ein Überlebender von Auschwitz, schreib über seine Erlebniss in seinem Buch „Der glücklichste Mensch der Welt“: „Deutschland 1938: So viele Menschen waren vollkommen verwandelt, ohne Moral, ohne Anstand und menschlichen Respekt. Sie fragten nicht nach richtig oder falsch. Sie wurden zu Mördern“. So fern und – vielleicht – doch für uns heute so nah?

In dem folgenden Schritt geht es um eine dem Leben zugewandte Führung, um den guten Hirten. Die aktuelle Situation: So richtig Machtverliebt, so richtig Heidnisch; das lebten im Wesenskern schon die Römer aus, bei ihren Triumphzügen nach ihren Siegen. Auch deren Triumphzüge waren so richtig machtverliebt und heidnisch.

Ich komme zur Bibel, einer der großen Weisheitslehren der Menschheit; wenn nicht noch mehr. Sie beinhaltet das lebendige Wort Gottes. Eines Gottes, dessen Facebook-Profil nicht vollständig ausgefüllt ist. Das ist gut so, sonst wäre er tot. Die Bibel kann man lesen wie einen Steinbruch für seine eigenen Vorurteile. Manche Menschen lehnen den dort erlebbaren Gott ab: So kann doch Gott nicht sein; sie basteln sich lieber einen Gott nach ihren eigenen Wünschen. Trägt das durch die Zeiten? Eine Annäherung, jenseits aller Dogmen. Befreit von so viel Zeitgebundenem, entstanden in archaischen Lebenswelten. Hin zu dem Wesenskern, dem Herz der Verkündung. Vorab: Im Alten Testament, da gab es etliche Propheten, die aus gutem Grund die gesellschaftlichen Probleme anprangerten, wie auch Jesus die Händler und Wechsler aus dem Tempel warf.

Unsere Moderne gebiert einen modernen Fundamentalismus. Etliche Menschen, die mit der Moderne nicht mehr zurechtkommen, legen sich einen strengen Gott zu. Sie wissen genau, was ihres Gottes Wille ist. Das gibt Halt für Verunsicherte, da gibt es klare Lehren, fertige Lebensstiele und Erziehungskonzepte und noch manches mehr. Das Fatale daran ist, dass sich die Strenge gegen die Anderen richtet. Das fasziniert und zieht Menschen magisch an. Doch das kann bis zur Zerstörung des Lebens gehen; manchmal tötet es.

Was macht denn einen guten Führer aus? Einen guten Hirten? Ich komme auf einen Bibeltext, der im Johannes-Evangelium 10, Vers 11-16 steht: „11 Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. 12 Wer Lohnarbeiter und nicht Hirte ist, wer die Schafe nicht zu eigen hat, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf raubt und zerstreut sie. 13 weil er ein Lohnarbeiter ist und sich um die Schafe nicht kümmert. 14 Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, 15 wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe. 16 Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein.“

Eine Annäherung an diesen Text in 4 Schritten

Schritt 1: Das Bild des Schafes im Wandel der Zeiten:

Wer in der heutigen Zeit ein selbstbestimmtes Leben führt und Verantwortung übernimmt, wird in dem Bild des Predigttextes eher das dumme Schaf entdecken, das sich – viel zu gutgläubig und ein bisschen naiv – nicht nur leicht führen, sondern auch verführen lässt. Es ist noch nicht lange her, dass in Deutschland Menschen kritiklos und bedingungslos schlechten Führen gefolgt sind. Laut und marktschreierisch waren diese Führer. Und bei dem Blick auf die Konzentrationslager stellte sich die Frage, warum sich so viele Menschen wie Schafe zur Schlachtbank führen lassen.

Laut sind auch heute die neuen Verführer in unserem Lande.

Doch jetzt ein anderer Aspekt: Omas und Opas, Mütter und Väter. Sie waren mit Kindern im Kino – einige von uns kennen Shaun das Schaf nun sehr genau: Die neue Botschaft: Schafe sind Meister der Täuschung – die größte Begabung, die Schafe in der Gefangenschaft entwickelt haben, ist die kunstfertige Täuschung der Menschen. Ja, so trickreich, lustig und mit Mut und Klugheit ausgestattet – so wollen wir sein, so sind wir ja nun doch auch als Menschen. Ganz individuell und selbstbestimmt.

Zu Risiken und Nebenwirkungen scheinbarer Selbstbestimmtheit: Insider spotten bei den diversen Finanzskandalen, wie z.B. bei Whirecard: „Oh je, meine armen Kunden – wie Schafe laufen sie den Kursen hinterher“.

Und wie weit ist es mit der Selbstbestimmtheit der von Google und Anderen nach Vorlieben und Kaufkraft in Zielgruppen einsortieren Menschen, die dann scheinbar ganz individuell vorgefertigte Trends vorgesetzt bekommen? Mit allen Mitteln der modernen Psychologie werden wir mit Kaufanreizen überschüttet – Du gehörst ja sonst nicht dazu, es geht um unsere eigenen Träume vom Leben, die sind uns heilig.

Wirtschaftsbosse oder Politiker – sie können durchaus als Hirten bezeichnet werden.

Man kann schon im Alten Testament sehen, dass das Amt des Hirten missbraucht wird. Es gibt Hirten, die ihr Amt nicht wahrnehmen, sondern ihren persönlichen Vorteil suchen. Verantwortliche, die ihren Einfluss nicht für die Zukunft des Volkes geltend machen, sondern alles tun, was ihnen ihre Macht erhält.

Der Prophet Ezechiel liefert eine bittere Beschreibung der Zustände:

„Die Schafe sind wilden Tieren zum Fraß geworden und zerstreut. Sie irren … und niemand ist da, der nach ihnen fragt oder auf sie achtet.“ (Ez. 34,5.6)

Auch er nutzt das Hirtenbild, aber jeder weiß sofort: Es geht um die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen. Es geht um Gewalt, Armut und Ungerechtigkeit unter Menschen.

Schritt 2: Eine kleine Zeitreise:

Das Hirten-Dasein in früheren Zeiten – es war da überhaupt nicht wegzudenken – war kein wenig romantisch. Vor der Landnahme des Volkes Israel, das in Nomadenstämmen lebte, bedeuteten Viehherden die Lebensgrundlage schlechthin. Die Hirten waren für den Bestand und das Wachstum verantwortlich, sie schützten ihre Tiere vor Räubern und Raubtieren. Hirten spielten damals eine Rolle: so kam Mose aus diesem Beruf, er hütete nach seiner Flucht aus Ägypten die Schafe seines Schwiegervaters, Jakob tat dies auch, König David war Hirte über die Herden seines Vaters. Es wurden auch Hilfskräfte eingestellt.

Bei Jesus kamen diese Knechte nicht gut weg, denn er sagte, dass sie die Tiere bei Gefahr im Stich lassen würden. Nur der Besitzer und ein echter Hirte beschütze die ihm anvertraute Herde.

In dem Bild vom Hirten klingt unsere menschliche Sehnsucht nach Geborgenheit an.

In unübersichtlichen und schwierigen Situationen ist das Bedürfnis verlässlich getragen und geführt zu werden besonders groß. Urvertrauen und Glaubenserfahrung schwingen mit und entfalten ihre tröstliche Kraft. Was gilt heute als eine tragfähige Lebensbasis für Einzelne, für die Gesellschaften?

In der Erfolgsstory „Games of Thrones“ wird ein sehr akutes Lebensgefühl der steten Unsicherheit ausformuliert: Die Welt wird beherrscht von kaum durchschaubaren Interessen. Das ist keine unbekannte Erfahrung im globalisieren Kapitalismus. Hier kommt kaum einer heil raus – es ist das Ende aller Gewissheiten, der Verhandelbarkeit und damit die Entwertung aller Werte, der Fragilität von Bindungen und Beziehungen. Kurze Siege des momentan Fittesten. Sieg oder stirb. Die Macher – Hirten, die ihr Amt nicht wahrnehmen oder Propheten?

Schritt 3: Die Einladung von Jesus im Predigttext:

Wer sich auf Jesu Einladung einlässt, folgt nicht wie ein blindes Schaf. Es geht nicht um den Herdentrieb als Zeichen mangelnder Selbstbestimmung. Die Bildrede beschreibt den Hirten, nicht die Schafe. Und dieser Hirte hat bereits seine Zeichen gesetzt: hat Kranke geheilt, hat Wunder gewirkt und sich als Sohn Gottes zu erkennen gegeben. Dieser gute Hirte fordert keine Unterordnung, sondern gewährt Anteil.

Wer sich auf ihn einlassen kann, wird von Vertrauen und Verlässlichkeit profitieren. Die Einladung gilt allen – aber die Entscheidung dafür oder dagegen, muss jede/r selbst treffen. Bei dieser Entscheidung sind Logik und Argumente nur bedingt hilfreich. Wer nur das „+“ und „-“ abwägen will, erfasst das Wesentliche nicht.

Nicht umsonst redet Jesus im Bild, beschreibt und schildert, was hinter der Botschaft des Bildes an Beziehung steckt, an Vertrauen und Erfahrung. Wo sie die Grundlage bilden, trägt eine Beziehung. Auch im zwischenmenschlichen Bereich ist das so. Viele spannende Fragen stecken da verborgen: Trauen wir uns, so zu vertrauen – oder sind wir lieber vorsichtig – aus Angst vor Enttäuschung? Deuten wir unsere Erfahrungen mit anderen aus einem gesunden Maß Vertrauen – oder unterstellen wir generell erst mal Eigennutz oder Desinteresse?

Schritt 4: vom Suchen und Finden:

Viele Eltern haben mir ihren Kindern gern „Mäuschen, piep!“ gespielt. Die Kinder haben sich versteckt. Sie wollten aber nicht nur gesucht werden. Besonders freuten sie sich auf den Augenblick, an dem sie gefunden würden. Es ist schön, wenn mich einer sucht und findet. Auch im Alter freuen wir uns über andere, wenn sie für uns Zeit haben und uns aufsuchen. Das Suchen und Finden durchzieht unser Leben. Ja – Du bist gemeint, wie das verlorene Schaf.

Du bist mein, Dein Name steht im Himmel geschrieben.

Nun, wie können wir Gott suchen und finden?  Wie können wir seine Stimme in dem Gewirr von Stimmen wahrnehmen?

Ein Weg: Das Gebet.

Das Beten, ob in der Stille und Alleine, oder in einer Gebetsgemeinschaft, gibt der Not eine Sprache. Damit wird die Sprachlosigkeit in existenzieller Lage vermieden. Gebet ist eine Form der Sprache und eine Geste für Glück, Unglück und Wünsche. Hier kann man alles sagen, der Betende kann auch seinen Gott packen, ihn schütteln und anklagen:  „Warum hast du mich verlassen? Warum?“

Beten kann heilen und Menschen wieder mit dem Lebenswillen verbinden.  Ein Beispiel: Das Klage- und Bittgespräch macht ruhiger, geordneter, gewisser. Es macht auch mutiger. Manchmal so, dass man die Welt tatsächlich ein wenig zum Guten verändern kann. Beten verändert tatsächlich etwas – und zwar den Beter.

Dietrich Bonhoeffer war klar, dass man Hitler nicht wegbeten konnte. Aber aus dem Gebet schöpfte er Kraft zum Widerstand. Es ist die Macht des Gebetes, dass es etwas mit dem Menschen macht, der betet.

„Sie werden meine Stimme hören“, so haben wir es im Predigttext gelesen. Die Stimme des guten Hirten – eine Annäherung über die Begegnung von Elias mit Gott am Horeb.:

Könige 19, die Verse 11 – 13

„11 Da sprach er: Geh hinaus und stell dich auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR ging vorüber. Da kam ein Wind, groß und stark, der die Berge zerriss und die Felsen zerschmetterten vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht in dem Wind. Und nach dem Wind ein Erdbeben; der HERR aber war nicht in dem Erdbeben.

12 Und nach dem Erdbeben ein Feuer, der HERR aber war nicht in dem Feuer. Und nach dem Feuer der Ton eines leisen Wehens.

13 Und es geschah, als Elia das hörte, verhüllte er sein Gesicht mit seinem Mantel, ging hinaus und stellte sich in den Eingang der Höhle. Und siehe, eine Stimme geschah zu ihm.“

In der Stille Gottes Wort zu hören – was für ein Geschenk. Doch warum fliehen so viele Menschen der Stille; warum so viel Ablenkung vom Wesentlichen?

Mit Rumi: „Lass die Stille dich zum Kern des Lebens bringen“.

Anzeigen von 8 Kommentaren
  • Cetzer
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    „Und bei dem Blick auf die Konzentrationslager stellte sich die Frage, warum sich so viele Menschen wie Schafe zur Schlachtbank führen lassen.“

    Dank ihres menschlichen Bewusstseins haben vermutlich viele in den letzten Minuten des Sterbens, der Gaskammer, bereut, dass sie sich nie gewehrt, statt dessen immer brav den Anweisungen des Deutschen Staates (Version 3R13J) gehorcht hatten. Im Internet habe ich mal die Aussage gelesen, dass die Überlebenschance jüdischer Polen, die aktiv Widerstand leisteten, zwar schlecht war, aber deutlich besser als derjenigen, die ihre Schafsnatur voll auslebten. Natürlich gehört zum Kämpfen auch geistige Sammlung und Abstand nehmen…

    • Freiherr
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      “ donna donna… “

      diese Lied ist im KZ entstanden und äussert das Bedauern sich eigentlich *auch* freiwillig zur Schlachtbank führen zu lassen – was in der lückenlos gnadenlosen Bürokratie des deutschen Vernichtungswillens nicht wirklich möglich war, der Widerstand dagegen also.

      Das Bedauern kam zu spät – in der Vernichtungsmaschinerie gefangen.

      Das Kalb das vom Bauern zum Markt geführt wird, zur Schlachtbank letztendlich…

      “ stop complainin – said the farmer – who told you a calf to be – why dont you have wings to fly with – like the swallow so proud and free… “

      …und wie die Winde höhnisch lachen…

      https://www.youtube.com/watch?v=j1zBEWyBJb0

      Und immer noch schnürt mir dieses Lied sofort die Kehle zu und kann gegen die nassen Augen nicht tun.

       

       

       

       

       

    • Ulrike Spurgat
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      Können sie bitte ihren Kommentar erklären. Vor allem die Aussage „des Sterbens, der Gaskammer, bereut, dass sie sich nie gewehrt statt dessen immer brav den Anweisungen des Deutschen Staates ….gehorcht hatten.“

      Ich hoffe sehr, dass ich einiges nur falsch verstanden habe.

       

       

      • ak
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        Genau das ist mir auch aufgestoßen. Habe mir ein Buch gekauft. Ralph Giordano. Die zweite Schuld. Es geht um die fehlende Aufarbeitung.

         

        Übrigens auch ein Grund, warum ich die einseitige Verurteilung Israels nicht gutheiße. Denn man muss schon ziemlich blind sein, um die Gefahr durch die dschihadistischen Islamisten zu verkennnen. Die Mehrheit der Menschen will in Frieden leben.

         

      • Cetzer
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        Brav Judenstern getragen und sonstige (Kleider-)Vorschriften eingehalten, an den vorgeschriebenen Sammelplätzen eingefunden, Lagerordnung eingehalten und zum Schluss widerstandslos in die Gaskammern getrottet – An jedem einzelnen Punkt war es vielleicht zu rechtfertigen, mitzuspielen, aber in der Konsequenz (=in der Summe allen Gehorchens) führte es zu einem schrecklichen Ende, das viele(?) in ihren letzten wachen Momenten bitter bereuten. In der Nachschau wäre es dann besser gewesen, irgendwie Widerstand geleistet zu haben und sei es durch verzweifelte Flucht.

        In diesem Fall habe ich mich an Derrick Jensen angelehnt, aber die Erkenntnis ist schon älter, dass Staaten, ganz sicher der deutsche, extrem Schlimmes in Einzelschritte zerlegen, denen die Schafe einzeln gerade noch gehorchen – Alles auf einen Schlag hätten sie nicht mitgemacht. So übrigens kann man Teile und Herrsche! (divide et impera) auch verstehen.

        • ak
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          Seltsam, wenn ausgeblendet wird wieviel Gewalt angewendet wurde. Denunziantentum allenthalben, Schlägertrupps. Diese Gewalt nun den Opfern anlasten zu wollen ist eine schlimme Verdrehung. Zeigt mir, dass nichts gelernt wurde.

          Auch deshalb hinkt der Vergleich mit heute, auch wenn es wieder ähnliches Muster ist. Auch heute verteidigt niemand die Alten und Kinder vor den Übergriffen. Im Gegenteil, scheint ein Großteil eine seltsame Genugtuung zu empfinden, wenn sie die FFP2 tragen.

          Ich verstehe die Gesellschaft nicht.

           

  • Hope
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    Hätte Jesus damals nicht den Tempel „gereinigt“, wäre er nicht gekreuzigt worden:

    „13[…] weil das Osterfest der Juden nahe bevorstand, zog Jesus nach Jerusalem hinauf. 14Er fand dort im Tempel die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler sitzen. 15Da flocht er sich eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle samt ihren Schafen und Rindern aus dem Tempel hinaus, verschüttete den Wechslern das Geld und stieß ihre Tische um 16und rief den Taubenhändlern zu: ‚Schafft das weg von hier! Macht das Haus meines Vaters nicht zu einem Kaufhause!‘“

    „Die Tempelaristokratie dürfte die Aktion Jesu vermutlich als offenen Angriff auf ihre Autorität und Profitquelle verstanden haben, was auch als ein Grund für den in den christlichen Evangelien berichteten Beschluss der religiösen Führer Jerusalems gewertet wird, Jesus zu töten. Obgleich die Perikope von der Tempelreinigung bibelwissenschaftlich nicht zum Kernbestand der Passionserzählung gerechnet wird, gilt sie deshalb vielfach als der eigentliche Anlass und Auftakt der Passionsgeschichte.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Tempelreinigung

    Würde ich heute versuchen, den deutschen Bundestag zu „reinigen“, würde ich mich ruckzuck in der Psychiatrie wiederfinden. Heute kreuzigen die Herrschaften subtiler.

  • Freiherr
    Antworten
    Und wieder herrscht ein Terrorregime, ein Totenkult, wir schreiben das Jahr 2021 !

    “ Der Niedergang der Demokratie durch grund- und menschenrechtswidrige Verbrechen, der Versuch der Liquidierung des souveränen, freien Individuums durch eine totalitär-postmoderne Diktatur ist nur durch eine Wiederbelebung durch einen souveränen Befreiungsakt möglich.“ ( Lenz ).

    Die Pfingsttage in Berlin sollen dieser Befreiungsakt sein, auch wenn freilich schon wieder vom Terrorregime vorab verboten,  ein wahnhafter Polizei- und Überwachungsstaat soll die Befreiung verhindern.

    Nun braucht die tapfer kämpfende Restjustiz dieses deutliche und entschiedene Signal aus der brutal unterworfenen Gesellschaft,

    dieser Wille zu einem verfassungsgebenden Neustart für Freiheit und Gerechtigkeit muss entschieden auf die Strasse getragen werden, ungeachtet der Verbote dieses Regierungsputsches gegen uns.

    Sich freiwillig, ohne Gegenwehr in ein Staatsgefängnis zu begeben ist zwar deutsch-typisch, aber nun ist auch Gelegenheit und höchste Zeit dieses Gehorsamsdeutschtum endlich zu beenden, historisch.

    Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus !

     

     

     

     

     

     

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