The Power of the Bauer

 In FEATURED, Politik (Inland), Wirtschaft

Diese Proteste können die Initialzündung für eine grundlegende politische Veränderung in Deutschland sein. Ist Deutschland bereit für die Bewährungsprobe der Stunde? Proteste sind ein Kuriosum der Demokratie. Eigentlich. Denn wenn Demokratie im Kern darin besteht, dass gewählte Interessenvertreter nur das Beste für ihre Wähler wollen, braucht es sie im Grunde nicht. Es gibt ja Wahlen. Doch dieser Gleichklang zwischen Regierenden und Regierten, zwischen dem Souverän und seinem Repräsentanten funktioniert nicht mehr. Vielleicht funktionierte er nie, war immer ein frommer, naiver Wunsch. Und in Deutschland, so der Eindruck vieler, funktioniert vieles gerade besonders schlecht bis gar nicht. Spätestens dann ist Protest der letzte Ausweg. Milosz Matuschek

 

Die Bauernproteste ab dem 8. Januar 2024 können den Beginn einer politischen Wende bedeuten, wie sie das Land seit 1989 nicht mehr gesehen hat und tatsächlich dringend braucht. Deutschland ist sklerotisch geworden, dogmatisch verbohrt, verrannt in die falsche Richtung utopischer Ideen, angeführt von Berufspolitikern, Ideologen und ahnungslosen Minderleistern. „Jetzt beginnt das eigentliche Projekt“, hatte Karl Lauterbach zu Beginn der Legislatur auf Twitter geschrieben, mit einem Selfie eines feist grinsenden Trios: Baerbock, Habeck und er, die in der Regierung eines vergesslichen und führungsschwachen Kanzlers scheinbar vor allem ein Ziel haben: die Demontage Deutschlands durch Sabotage, stets natürlich im Mantel des “Guten”.

Was soll man sagen? Es “läuft”: Lauterbach zerstörte die Gesundheit, Baerbock die Außen-Reputation, Habeck die Wirtschaft und Energiesicherheit. Cem Özdemir hat sich scheinbar die Landwirtschaft vorgenommen. Nein, dieser Protest ist wahrlich kein Wunder. Er ist die natürliche Reaktion von äußerst hart arbeitenden Menschen, denen eine Riege von Nichtskönnern in der Politik nicht nur nicht unter die Arme greift, sondern ständig besserwisserisch in den Arm fällt – und damit die Existenz der Bauern sowie die Versorgungssicherheit eines ganzen Landes gefährdet. Am größten ist das Höfesterben übrigens in Söders Bayern, während man dort größenwahnsinnig davon träumt, in den Weltraum zu fliegen (“Bavaria One”). Erst Berlin, dann Davos? Im Grunde müsste der Protest sich beim Treffen des World Economic Forum (ab dem 15.01.) abspielen. Dort wird am Reißbrett mit der Versorgungssicherheit der Welt gespielt.

Hier stirbt die Versorgungssicherheit Deutschlands (Screenshot Destatis/Atlas 2019)

Der beginnende Bauernprotest ist mehr als ein Kampf um Vergünstigungen und billigeren Diesel. Er steht symbolisch für den Kampf einer Gruppe von Menschen, welche die Lebensader der Bevölkerung darstellen: die Produzenten unserer Nahrung. Kaum ein Job ist härter, von frühem Aufstehen bis zu quasi kein Urlaub, zugleich schlecht bezahlt und steht damit in größtem Kontrast zu minderleistenden, urbanen Bürgergeldbeziehern und Kaffee-Latte-Schlürfern. Nirgendwo kommt die Diskrepanz zwischen ideologischer Verirrung und analoger Korrektur besser zum Ausdruck als in einem Aufstand von Bauern: Frankreich und die Niederlande können ein Lied davon singen. In letzterem Land haben Bauernproteste bereits zu einem Politikwechsel geführt. Kaum ein Kampf ist zudem symbolischer. Wer Schach spielt, weiß: Am Anfang bewegen sich die Bauern und am Ende fällt der König.

Der Diesel jeder Protestbewegung sind grundsätzliche Gerechtigkeitsfragen. Es ist das Messen mit zweierlei Maß, die weitverbreitete Heuchelei und die parteiische Sympathie der Politik für ihresgleichen, welche die Menschen auf die Palme bringt (war es von der Antike über 1789 bis 1989 je anders?). Das gilt auch für diejenigen, die mit Landwirtschaft (gerade konventioneller Landwirtschaft) sonst eigentlich fremdeln. Die Beispiele dieser Heuchelei sind endlos: Ein Christian Lindner ermahnt Bauern zu „verhältnismäßigen“ Protesten, während seine „liberale“ Partei sich für eine Impfpflicht einsetzte und scharfe Kriegstreiberei befürwortet; als Robert Habeck vor kurzem von protestierenden Bauern in Schleswig-Holstein davon abgehalten wurde, ein Schiff zu verlassen, rückten Medien und der Bundesoberbetroffenheitsbürokrat Steinmeier dies in Richtung eines „Angriffs auf die Demokratie“, während täglich arbeitende Pendler von Klimaklebern wie selbstverständlich daran gehindert werden, ihr Brot zu verdienen (und dem Staat die Steuerkasse vollzumachen). Es wurde sogar vermeldet, dass auf dem Schiff Kinder waren, die „Angst gehabt“ hätten (freilich ohne direkten Kontakt zu den Protestierenden). Wer entdeckt denn da plötzlich das Kindeswohl? Wir wissen alle, welche Regierung sich während der Pandemie die Strategie ausgedacht hat, Kinder mit Angst & Schrecken zu terrorisieren und mit einem schlechten Gewissen zu manipulieren. Man könnte die Reihe von Beispielen unendlich fortsetzen. Die Politik der letzten Jahre hat sich ihre Kanne Gülle nebst Entlassungspapieren wahrlich verdient.

Ratloses Framing offenbar Verzweiflung

Bei diesem Protest kann vieles anders sein. Es kann der Beginn einer weitaus größeren Protestbewegung sein, bis hin zum Generalstreik und zu einem grundlegenden Politikwechsel. Dieser Protest wird wohl das Ende der schlechtesten demokratischen Regierung aller Zeiten in Deutschland bedeuten. Dies wissen die Regierenden und man kann ihre Angst an ihren verzweifelten Reaktionen und der Mimik von Cem Özdemir ablesen, wie an einem Fieberthermometer. Man glaubt es kaum, aber es ist so: Den Herrschenden fällt tatsächlich wieder nichts Besseres ein, als die Demonstranten als „rechtsradikal unterwandert” zu etikettieren. Auch das ist ein Wunder dieser „Demokratie“ im Endsiechstadium: Die wunderbare Vermehrung von „Rechtsradikalen“ bei Protesten, frei nach dem Motto: „Wird der Bürger unbequem, ist er ganz schnell rechtsextrem.“ Eine durchschaubare Taktik, um die Proteste kleinzuhalten. Sie ist zu durchsichtig, als dass sie noch länger erfolgversprechend sein könnte. Die Nummer hat sich abgenutzt, keiner glaubt sie mehr. Der Präsident des Bauernverbandes sollte Politik und Medien deshalb auch nicht mit Distanzierungsrhetorik auf den Leim gehen. Der Protest muss die Politik bewegen, er muss sich nicht dem Mainstream anbiedern.

Proteste sind die Sternstunde der Demokratie. Es sind die Momente, in denen der Wille der Bevölkerung auf der Straße unmittelbar und authentisch artikuliert und geformt wird, und zwar vom Souverän selbst und ohne den Sichtschutz der Wahlkabine: altmodisch analog, symbolisch einprägend und unverblümt mutig. Sicher: Auch diesen Widerstand wird die Nomenklatura versuchen zu stören, zu etikettieren (sie tut es bereits: „motorisierter Mistgabelmob“/SPIEGEL) und zu zersetzen. Sie kann ihre „Rechtsradikalen“ vom Verfassungsschutz einschleusen, bezahlte Provokateure losschicken oder versuchen, im richtigen Moment die richtigen Bilder zu fabrizieren. Alles bekannt, alles wie gehabt. Die Politik kann sich entscheiden, ob sie die Lage zum Eskalieren bringen will oder nicht. Der strategisch klügste Protest ist immer der friedliche, sagt uns die Geschichte (untermauert von vielen Statistiken). Wenn die Politik hässliche Bilder provozieren will, sollten diese allein auf sie selbst zurückfallen. Wichtiger denn je ist es deshalb, sämtliche Protestsituationen gut mit Videos und Fotos zu dokumentieren und sich nicht in die Enge treiben zu lassen.

Diese Proteste sind vielleicht die letzte echte Chance, um die Lage zu drehen und die Verhältnisse wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wer jetzt nicht auf die Beine kommt, könnte bald in die Knie gezwungen werden.

 

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Anzeigen von 4 Kommentaren
  • Jassir Khan-Junis
    Antworten
    … ein zutiefst wichtiger Beitrag, von Herrn Matuschek, angesichts der aktuellen Ereignisse, nicht nur im im östlichen Niedersachen. Ich frage mich gerade  , ob sich zum Beispiel auch die Friedenspolitische Sprecherin der Fraktion “Die Linke” schon mit den Bauernprotesten solidarisiert hat, angesichts der dramatischen Bilder von der A1, aber ich konnte zu diesem wichtigen  Thema leider nichts finden.

    https://www.kathrin-vogler.de/themen/frieden/

    Willkommen  in der Trumanshow.

  • Freiherr
    Antworten
    …* zuerst bewegen sich die Bauern, dann fällt der König ! * – das Unrechtsregime also, schön wärs.

    Und so ist dieser “Aufstand”, diese Bewegung freilich zu begrüßen und zu unterstützen,

    auch wenn die Bauernschaft nicht ganz so heroisch-edel daherkommt wie vom grandiosen Matuschek hochgepriesen, sich selbst ja zu einer beherrschenden Schicht etabliert haben, die Natur insgesamt unter eine Wirtschaftlichkeit gezwungen haben und schon viel an Natur dadurch auch vernichtet haben –

    Herrscher über Ländereien sind, immens reiche Bauern regionale Politik bestimmen und der Begriff vom Bauernadel ist nicht weit her geholt.

    DENNOCH, wenn der Re-Putsch, die grundlegende Erneuerung von ihnen ausgeht, die Initialzündung wird, dann soll es recht sein, selbstvewständlich.

    Dann müssten die Beweggründe dazu aber nicht nur die Angst um ihren eigenen Wohlstand sein, dann müssten echte Demokratie, Freiheit, Rechtgerechtigkeit auch auf deren Agenda stehen,

    dann müssten sie aber auch von ihrer extra-Position als Herrscher über die Ländereien etwas herunter.

    Oh Ja ! – da haben sie nun die Hosen voll, die Politikverbrecher, wenn eine wirkliche Macht aufsteht, wenn die Etablierten rebellieren

    und so soll es sein.

    Da gehen auch die inzwischen nur noch belachten * rechts-rechts, Nazi-Nazi * Diffamierungsversuche in die eigenen Hosen, erst recht nun da eine Bevölkerung weitegehend begriffen hat dass die sogenannte * rechtsextreme Szene * fast ausschließlich aus * Verfassungsschützern * besteht.

    Ein Schulterschluss der Bauern mit dem Demokratischen Widerstand wäre nun das Optimum, auch um die Bauern nicht auf dem Schachbrett nur zu opfern,

    dann, wie gesagt muss es aber um mehr gehen als nur um den Erhalt des eigenen Wohlstandes.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  • Claudia B.
    Antworten
    Herr Matuschek bezeichnet die bauernproteste als “Sternstunde der Demokratie”. Gehröt zu so einer Demokratie nicht auch eine ausgewogene Berichterstattung, und die Kritik an Menschenrechtsverletzungen?

    In Gaza sind gestern 2 weitere Journalisten gestorben, bei einem israelischen Raketen-Angriff,  insgesamt starben in den vergangenen Wochen ca. 100 Journalisten ,  die über den Krieg berichteten. (Die Zahlen  variieren, je nach Quelle). Bei Herrn Matuschek finde ich dazu nicht ein Wort, nicht einen Artikel. Wo ist eigentlich derProtest von Journalisten,  der  Aufschrei, wenn es um die Tötung von Kolleginnen und Kollegen geht, die über diesen Krieg berichten?

    https://www.aljazeera.com/news/2024/1/7/hamza-son-of-al-jazeeras-wael-dahdouh-killed-in-israeli-attack-in-gaza

    https://en.wikipedia.org/wiki/Killing_of_journalists_in_the_2023_Israel%E2%80%93Hamas_war

  • Zeichen und Wunder
    Antworten
    Man mag es kaum glauben, aber tatsächlich, ausgerechnet in der “taz” erscheint , fast zeitgleich, der Artikel, den Herr Matuschek nicht geschrieben hat ( und auch keine andere  von den so gewichtigen  “manova”-Federn):

    “taz” vom 7.1.24: “Das laute Schweigen der Deutschen”:

    https://web.archive.org/web/20240107181612/https://taz.de/Israels-Krieg-in-Gaza/!5981361/

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