Frieden ist möglich

 In FEATURED, Philosophie, Politik, Spiritualität

Vertrauen finden, Frieden, Zuversicht, Dankbarkeit. Auch innere Ruhe, Stille, ein Gespür für Schönheit, das Wissen um die Verbundenheit von allem. Für manche gehört auch das Hoffen wider alles Wissen mit dazu. Wir sehnen uns danach und schon dieses Sehnen ist eine Vorbereitung darauf, in dem Ersehnten anzukommen – im Frieden, in der Stille und einer alles umarmenden Akzeptanz. In der Gewissheit geliebt zu sein und lieben zu dürfen. Hoffen ohne einen Grund zur Hoffnung, geht das? Einfach lieben ohne eine Schale, in die ich meinen Überfluss gießen darf? Ich kann im Vertrauen geborgen sein und um die Dankbarkeit wissen als unerschöpfliche Ressource, die mich und uns auch durch dunkle Zeiten trägt. Wolf Schneider

 

Ernst Bloch prägte einst den Begriff des “Wärmestroms” gegenüber dem “Kältestrom” politisch-realistischer Analyse. Neben der nüchternen Analyse der Fakten brauchen wir ebenso sehr auch einen solchen Wärmestrom. Ohne den lässt sich keine erwünschte Zukunft kreieren: die Utopie gegenseitiger Unterstützung auf dem Weg zum Glück.

Sich zu informieren ist leichter geworden

Schon lange habe ich mir auf meiner Webseite einen Adblocker installiert. Nicht nur, weil mich die mir dort zugeschickten Angebote stören, sondern auch weil die Werbewirtschaft mit dem Erschaffen immer neuer Bedürfnisse und Illusionen ein so bedeutsamer Motor der fatalen Wachstumsdynamik unserer Wirtschaft ist. Da bezahle ich doch lieber für eine gute Auswahl wesentlicher und faktisch geprüfter Nachrichten aus der Welt. Die bekomme ich zum Beispiel von der WP (Washington Post) jeden Tag in meine Mailbox und zahle dafür 30 € pro Jahr, also weniger als 1 € pro Woche. Dieser Tage habe ich zudem wieder mal den Guardian abonniert, der kostet mich 2 €/Monat. Beides digital, es werden also keine Druck- und Transportkosten verursacht, kein Altpapier produziert und die Verwaltungskosten des Abos + die Energiekosten der Zusendung sind gering. So kann ich mich viel leichter, kostengünstiger und umweltschonender informieren als noch vor 30 Jahren: ein Lichtblick in dieser dunklen Zeit!

Die Dekadenz der SZ

Auf der anderen Seite solch erfreulicher Leichtigkeit steht die heutige deutsche Edelpresse. Darunter auch die Süddeutsche, mit der ich aufgewachsen bin. In meiner Herkunftsfamilie kam von dort unsere tägliche Dosis an Nachrichten, damals noch alles auf Papier. Auch während meines Studiums war sie für mich als SPD-nahe, linksliberale Zeitung eine gewisse Orientierung. Sogar später, als selbständiger Publizist, hatte ich sie neben anderen Quellen noch ein paar Jahre lang abonniert. Heute schaue ich dieser Redaktion nur noch ungläubig zu: Wie kann man so abbauen? Sie kommt mir vor wie ein Patient, der auf die Demenz zugeht, ohne es zu merken; eine Mischung aus Verdrängung, Ignoranz und Heuchelei “auf hohem Niveau”. Wobei ich mit “Niveau” die bürgerliche Bildung der Redakteure meine. Die Zeiten von Riehl-Heyse sind vorbei. Einziger Lichtblick heute: Heribert Prantl.

Divergierende Wirklichkeitserzählungen

Und wo wir schon bei Demenz und Verdrängung sind: Publik-Forum, die ich in meiner maßlosen Arroganz mal “die einzige intelligente christliche Zeitung” genannt habe, prognostiziert, dass bei fortgesetzten Trends am Ende dieses Jahrhunderts die großen deutschen Kirchen keine Mitglieder mehr haben werden. Eine Katastrophe? Mitnichten. Es würden dabei doch in den besten zentralen Lagen so viele transreligiöse Meditationsräume frei 😉. Denn das brauchen wir Menschen (weiterhin): Räume, in denen wir uns “jenseits von gut und böse” (Rumi) treffen können. Jenseits unserer so divergierenden Erzählungen, wer recht hat und was wesentlich und Tatsache ist.

Heuchelei

Trump, Bolsonaro, Orban, Le Pen, Meloni, nun auch noch Milei und Gert Wilders, wo soll das enden? Alle demokratisch gewählt, so wie auch Hitler und Putin. Und die Chancen stehen recht gut, dass Donald Trump im November 2024 wieder an die Spitze der USA gewählt wird. Dieses System, das solche Männer (und einige Frauen) an die Spitze der Macht transportiert, ist zutiefst verrottet und befindet sich nun auch im freien Fall in Richtung Katastrophe. Die Ideale der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, auf die sich dieses neoliberale System noch immer beruft, sind hier kaum präsenter als die von Karl Marx in der KP Chinas oder von Jesus in der katholischen Kirche, auch wenn die gewählten Regenten so tun, als sei es anders und wir “diese Demokratie” mit Waffengewalt aggressiv “verteidigen” müssten – erst am Hindukusch, dann im Donezbecken, heute im faschistoid-aggressiven Israel. Milei tut immerhin nicht so, als sei dieses System noch zu retten, aber seine Therapievorschläge sind schlimmer als die Krankheit selbst.

Leben in Absurdistan

Um anlässlich aktueller politischer Ereignisse, aber auch angesichts des schon lange sichtbaren suizidalen Kurses der Weltzivilisation nicht zu verzweifeln, sage ich mir oft: Wir leben in Absurdistan! Und es sind ja die Klügeren unter uns, die checken, wie absurd dies alles ist, behauptet der Psychologe Dunning Krüger in dem nach ihm Dunning-Krüger-Effekt genannten “kognitiven Verzerrung im Selbstverständnis inkompetenter Menschen” (dt. Wikipedia). Kompetent ist also, wer merkt, wie absurd alles ist? Dann hatten die Zen-Meister wohl recht, als sie ihren Schülern Fragen stellten – diese legendären Koans –, die mit dem logischen Verstand nicht lösbar sind. Mein Seminar zum Thema des Auflebens inmitten verrückter Strukturen findet vom 23. bis 25. Februar im schönen Upleven an der Nordsee statt.

Ist die Welt gut oder schlecht?

Um mich nach den täglichen politischen Nachrichten wieder aufzurichten, höre ich gerade den viel gelobten Weltbestseller “Factfulness” von Hans Rosling als Hörbuch und freue mich über seine Auswahl wesentlicher Fakten, die geeignet sind, uns optimistisch zu stimmen. Dazu zählt auch die gut belegte Tatsache, dass wir heute jedenfalls in Europa sicherer sind vor Gewalt, Krankheiten und Absturz in tiefe Armut als je in der Geschichte der Menschheit. Ganz ähnlich klingen auch Rutger Bregmans Argumente in seinem Buch “Im Grunde gut”, das ich hier im Blog schon mehrfach erwähnt habe. Allerdings ist Roslings Buch von 2018 und Bregmans von 2020. Inzwischen kam Corona über uns und neuerdings der ungebrochene Trend zum Rechtspopulismus, der mich an Kurt Tucholskys verzweifelte Aussage von 1935 erinnert: “Gegen einen Ozean pfeift man nicht an”. Deutschland ist in jüngster Zeit wieder ein kriegerisches Land geworden, und unsere aktuelle Regierung hat bei ihrem visionslosen Tanz um den Gott der Mehrheitsfähigkeit nicht nur den Pazifismus, sondern auch den Naturschutz aufgegeben.

Keine Rache in meinem Namen!

Noch besser zum Sich-wieder-Aufrichten ist die emotional tief bewegende Stimme von Michal Haley in ihrem Aufruf “Ich will keine Rache“, der sich in den vergangenen Wochen viral ausbreitete. Michal Haley hat am 7. Oktober bei dem Massaker der Hamas ihren einzigen Sohn verloren. Als sie daraufhin auf einer auf Gaza gerichteten Waffe seinen Namen las, um den Tod dieses Unschuldigen zu rächen, wandte sie sich mit der Bitte an die Welt, nirgendwo je wieder dem Tod eines unschuldigen Kindes das Ermorden weiterer unschuldiger Kinder hinzuzufügen.

Der Friedensaktivist Charles Eisenstein, der sich in diesen Wochen oft anhören musste “Wenn es dich persönlich träfe, würdest auch du die Monster ausrotten wollen”, war von dieser Botschaft so beeindruckt, dass er sie zu einem Gespräch bat: Michal Halev im Gespräch mit Charles Eisenstein (44 min).

Guter Glaube, schlechter Glaube

Was ist eigentlich ein guter Glaube und was ein schlechter? Hierzu höre ich mir immer mal wieder das Lied “Stay strong, keep your faith alive” von Paul Newman an. Die hier singen, strahlen mich so überzeugend an, dass auch ich glauben möchte, Glaube (faith) sei etwas Gutes. Während sich im sogenannten Heiligen Land seit mehr als einem Jahrtausend drei Religionen an die Gurgel gehen, von denen jede überzeugt ist, sie habe den richtigen Glauben und bei ihren Gegnern sei zumindest eine relevante Fraktion vom Teufel besessen und müsse deshalb vernichtet werden.

Deshalb möchte ich das Wort faith in Paul Newmans Lied lieber als Vertrauen interpretieren und die Variante, es als Glaube zu verstehen, mit in die Müllkiste der zu entsorgenden Fanatismen stecken. Und mit Vertrauen meine ich hier nicht, dass “mein Gott” siegen wird, sondern dass das Leben, wenn wir uns ihm anvertrauen, seine eigene innewohnende Intelligenz hat, die größer ist als der Durchsetzungswille einzelner Individuen, Stämme, Nationen oder Imperien.

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