Tipps für angehende Dichter
Tolstoi hat gesagt: „Schreiben ist so lästig.“ Schreiben ist nicht lästig, sondern gefährlich. Doch Nichtschreiben ist tödlich. Das Bedürfnis zu schreiben muss Gnade und Fluch sein, in jedem Fall aber eine Notwendigkeit. Veröffentlichen hingegen heisst: Liebeswerben in der Fremde. Schreiben ist ein Risiko, Veröffentlichen ein Fiasko. Peter Fahr
Hast du etwas zu sagen, schweige.
Kannst du nicht schweigen, sprich mit jemandem – vorzugsweise mit dir selbst.
Verspürst du den Drang, dich weiter mitzuteilen, vertraue dich dem Tagebuch an.
Genügt das nicht, schreibe eine Mail.
Genügt das nicht, schreibe weitere Mails.
Genügt das nicht, ergib dich.
Besorge dir eine rosarote Brille.
Lege dir einen unversiegbaren Vorrat an Illusionen an.
Mach dich auf alles gefasst, nur nicht auf Zweisamkeit.
Begnüge dich mit einem Stapel weißer Blätter, einem leeren Zimmer und einer unerträglichen Stille.
Greife dir den Laptop.
Schreibe. Schreibe. Schreibe.
Gib nicht auf.
Schreibe. Schreibe. Schreibe.
Sind die Gedichte beendet, merke dir eines: Ein Unglück kommt selten allein.
Drucke die Gedichte hundertmal aus und beehre die Verlage mit deinem Werk.
Erwarte weder dies noch das, rechne mit allem und nichts.
Wappne dich mit dem Sprichwort: Undank ist der Welt Lohn.
Verschaffe dir Herztabletten.
Verschenke dein Smartphone, Verleger rufen nie zurück.
Halte einen Ordner für die Absagebriefe bereit.
Stähle die Nerven mit Whisky oder Wodka.
Trifft der erste Absagebrief ein, lächle und spare deine Kräfte für die 99 folgenden.
Bringt die Post positiven Bescheid, lächle und glaube kein Wort – das erspart Ärger.
Besteht ein Verlag auf seiner Zusage, lächle und glaube erst recht kein Wort.
Wird dir ein Vertrag zugeschickt, stimme in allen Punkten zu.
Beachte dabei die folgenden Richtlinien: Verleger dulden keinen Widerspruch, keine fremden Ideen, keine anregende Kritik.
Kurz: Glaubst du immer noch an deine Gedichte, so krieche.
Wisse: Die aufrecht gehen, sind unbeliebt.
Nach Vertragsabschluß gilt: Der Verleger ist entweder dein Freund oder dein Feind.
Wähle.
Und bedenke: Bei der Buchproduktion ist der Autor das fünfte Rad am Wagen.
Übe dich in Demut.
Übe dich in der Selbstaufgabe.
Übe dich in der Kunst des Wartens.
Naht der Publikationstermin, ändere deine Handynummer, bringe ein Sicherheitsschloss an der Wohnungstür an, kleide dich neu ein und lasse dir einen anderen Haarschnitt verpassen.
Fahre in die Ferien, bleibe mindestens drei Wochen fort.
Genieße die Luftveränderung, das Meer, die Berge, genieße das Leben und denke nicht daran, dass du der Plastikbeutel bist, in den die Kritiker kotzen.
Kehrst du in die Heimat zurück, betrachte dich als Fremder.
Kündige das Abonnement deiner Tageszeitung und verzichte auf die Lektüre von Buchgazetten.
Meide Buchhandlungen.
Und dann vergiss und verdränge auf ewig das Vorgefallene.
Und solltest du noch etwas zu sagen haben: Schweige!
Er schweiget nicht,
er redet nicht,
er ist ganz einfach da.
Das Dichten ist ihm wesentlich,
denn dabei ist er sich ganz nah.
Und all die Possen, all der Rummel
sind des Dichter’s Welt ganz fern,
lieber betrachtet die emsig‘ Hummel,
malt Worte auf’s Papier und hat die Stunden gern.
(BB / 21/06)
https://youtu.be/a0hFZPvanMs
lieber betrachtet er die runde Hummel
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Schmerzen erleiden ist das eine, sie zu erleben auch anders.
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Wer Worte liest, braucht sie nicht dringend auch schreiben können, doch wer Worte schreibt sollte sie auch lesen.
Was gilt das Wort, das uns diktiert,
wie man konform ein leeres Blatt verziert?
Die Freiheit bindet sich mit Widerstandsgedanken,
und bringt das Ordnungswerk aufrührerisch ins Schwanken.
(BB/21/06)
https://youtu.be/miQvJPbqtqk